Rottach-Egern, Auferstehungskirche

Weder ästhetisch ansprechend, noch gefällig und schon gar nicht leicht konsumierbar: Die Kreuzigungsgruppe der Nürnberger Bildhauerin Meide Büdel an der Fassade der Auferstehungskirche in Rottach-Egern will auch nichts von alledem sein. Ihre Darstellung fernab gewohnter Ausdrucksweisen zielt auf das Grausame, das Schmerzhafte des Ereignisses, den unmittelbaren Todesmoment Christi.

 

 

2010-2011
Kreuzigungsgruppe an der Fassade
Meide Büdel

Im Fokus der abstrakten Komposition stehen zwei geschwärzte, scheinbar gebrochene Holzblöcke: der geschundene Korpus am absoluten Nullpunkt. Umspannt wird das klaffende Holz von zwei waagrechten, leicht versetzten Gummibändern, die mit nagelähnlichen Schrauben in der Wand fixiert sind. Alle übrigen darstellerischen Elemente treten demgegenüber optisch zurück. Den Kreuzstamm markiert ein vertikales, helles, nur vier Zentimeter breites Stahlband. Bedingt durch die Neigung der Fassade ist es am Fußende in die Wand eingeschnitten und tritt oben aus der Fassade heraus. Einerseits eine Verletzung der Fassade, andererseits ein Aufwärtsstreben, das – oberhalb des Todesmoments – symbolhaft auf die Auferstehung verweisen kann. Die Stelle dreier früherer, hier angebrachter Figurenkonsolen nehmen nun kurze Bänder ein. Der traditionelle Platz der Assistenzfiguren Maria und Johannes unter dem Kreuz bleibt jedoch leer; lediglich ihre Größe im Verhältnis zum Kreuz wird wiederum durch kurze Bandstücke angezeigt. Hier ist der Betrachter gefragt, wird möglicherweise aufgefordert, die leere Stelle unter dem Kreuz einzunehmen und die Trauer der Begleitfiguren unmittelbar selbst zu erfahren.

2010-2011 erhielt die nach Plänen von Olaf Andreas Gulbransson 1955 erbaute Auferstehungskirche in Rottach-Egern ein neues Dach. Gleichzeitig fand ein engerer Künstlerwettbewerb statt zur Gestaltung der Fassade, für die von Anfang an eine Kreuzigungsgruppe über der Eingangstür vorgesehen, aber nie verwirklicht worden war. Unter den fünf eingereichten Entwürfen wurde der von Meide Büdel einstimmig ausgewählt und zur Ausführung empfohlen. Die Bildhauerin hatte 2008 den landeskirchlichen Kunstpreis erhalten. Ihr Entwurf war der einzige, der mit der traditionellen Kreuzigungsikonographie radikal bricht und vom Betrachter eine neue Seh- und Annäherungsweise fordert. Und dennoch fügt sich die zeitgenössische Komposition nahtlos in den historischen Bestand ein, ohne in künstlerische Konkurrenz zu dem bereits Vorhandenen zu treten.

Lärchenholz, Gummibänder, Stahlbänder
H. 437 cm, B. 188 cm