Gerd Kanz

Man spürt sie noch – die Kraft, die hinter jedem Schlag mit Hammer und Beitel lag. Mit dem Werkzeug des Bildhauers hat Gerd Kanz die Holztafel aufgebrochen. Linie für Linie, bis aus dem planen Grund ein Geflecht aus Kerben und Graten wurde, ein Reliefbild von grafischer Struktur. Erst dann hat der Künstler schichtweise die Farbe mit dem Pinsel darüber gelegt, hier gedeckte Töne: Ocker, Gelb, Braun.

Tafelbild
Öl auf Holz
2013/2014

Auf diese Weise entstehen im Atelier von Gerd Kanz in einem festen Rhythmus stets mehrere Bilder parallel. Er lebt und arbeitet zurückgezogen in einer ehemaligen Brauerei im unterfränkischen Untermerzbach. Die Holzplatten liegen während des hochkonzentrierten, fast meditativen Prozesses nebeneinander auf dem Boden. Es sind Serien, die in Form und Farbe jeweils ein kompositorisches Grundthema haben. Seine Bilder wachsen, sagt Gerd Kanz – bisweilen auch draußen, im Freien vor dem Atelier, wo er sie liegen lässt, damit Wind und Regen an ihnen arbeiten. Auch seine Skulpturen, oft hohe Stelen mit durchbrochen gearbeiteten Bogenformen, haben etwas Organisches. Eine solche Plastik aus Stahl schuf Kanz für das Kunstprojekt „12[W]ORTE“, das 2014/2015 anlässlich des Themenjahrs „Bild und Bibel“ der Lutherdekade im Kirchenkreis Bayreuth lief. Das Tafelbild in der Kunstsammlung ist ebenfalls eng mit dem Reformationsjubiläum verbunden: 2017 gab die Evangelische Kirche in Deutschland limitierte Sammlereditionen der Lutherbibel heraus. Zwölf Prominente gestalteten dafür jeweils einen Buchschuber, unter ihnen der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland und bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Zu jeder Edition wurde ein Bibelvers ausgesucht, der Landesbischof wählte für seine Ausgabe „Der Herr ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“ (2. Kor 3,17). Als Motiv für den Schuber entschied er sich gemeinsam mit Gerd Kanz, den er aus seiner Zeit in Coburg kennt, für eben diese Arbeit aus den Jahren 2013/2014, die wie eine visualisierte Form des Bibelspruchs gelesen werden kann, so der Künstler: Es zeigt eine lebendige Kreuzform, die mit einem gewissen Abstand zum Rand wie ein „Bild im Bild“ eingefasst ist. Dadurch entsteht eine Konzentration auf die Bildmitte, zugleich aber wirkt die Darstellung über den Rahmen hinaus, auch durch die unterschiedlichen Grade der Lichthaltigkeit in der Farbe. „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“ – dafür kann dieses Bild synonym stehen: für das Hinauswachsen im Zeichen des Kreuzes.

Öl auf Holz
H. 120 cm, B. 190 cm