unendlich still…

Wie sind Kunst – als Gestaltung der Gegenwart – und Friedhof zusammenzubringen? Für wen soll die Kunst auf dem Friedhof sein? Und welche Kunst? Kunst, verstanden als Form experimenteller Freiheit? Kunst, die den Friedhof vom Erinnerungs- zum Erfahrungsraum öffnet? Kunst, die zum Nachdenken über das Leben und den Tod ermutigt? Kunst, die uns im Innersten berührt, die schmerzt, die Hoffnung gibt?

 

Zeitgenössische Kunst auf evangelischen Friedhöfen in Bayern
1. Mai bis 30. September 2022

Leid, Sterben und Tod werden in unserer Gesellschaft heute nahezu ausgeblendet – und doch geht eine starke Faszination davon aus. Gerade Künstlerinnen und Künstler beschäftigen sich häufig mit existentiellen Problemen und Grenzerfahrungen sowie mit den letzten Fragen des Lebens. Mit ihren oftmals direkten und provozierenden Arbeiten können sie Debatten über die Hintergründe und Folgen unseres Umgangs mit dem Tod anstoßen. Sie rütteln an moralischen Grundprinzipien, kratzen an der Oberfläche einer allzu sentimentalen Trauerkultur und fordern so die Betrachter heraus, ernsthaft Stellung zu beziehen.

Der Tod begleitet uns vom Moment der Geburt an. Diese unwiderrufliche Tatsache weckt unterschiedliche, teils emotional extrem fordernde Gedanken und Gefühle in uns, die sich je nach Lebenssituation ändern können. Wir spüren das Prickeln der Lebenslust, die überbordende Freude am Dasein. Wir fürchten Einsamkeit, Krankheit, das Sterben, ahnen den dunklen Moment des Todes. Und wir haben Hoffnung: auf Auferstehung und Erlösung. Diese drei großen Pole – Leben, Tod, Erlösung – spiegeln sich thematisch in der Ausstellung wider.

Das Projekt will einen Diskurs anregen und soll durch die Verbindung einer historisch gewachsenen Friedhofskultur mit zeitgenössischer Kunst neue Einblicke in das Thema Tod und Friedhof ermöglichen. Es möchte den Friedhof als Ort der Auseinandersetzung mit dem Sterben wieder stärker ins Bewusstsein rücken und ihn mit künstlerischen Sichtweisen neu beleben. So sollen sinnlich wahrnehmbare Signale gesetzt werden, den Friedhof als wertvollen Kulturraum auszuweisen und den Ort der Toten mit Leben zu erfüllen. Die Ausstellung soll beispielhaft zeigen, wie Kunst eine Friedhofsanlage zu einem lebendigen Denk- und Experimentierraum erweitern kann.

Das landeskirchliche Kunstreferat hat die Ausstellung zunächst unter dem Titel „unendlich schön… Zeitgenössische Kunst auf evangelischen Friedhöfen in Bayern“ geplant. Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine und der immer dramatischer werdenden humanitären Lage dort machte sich bei den vorbereitenden Beteiligten der Ausstellung ein Gefühl von Erschütterung und Ohnmacht breit. Relationen haben sich verschoben und verschieben sich – jeden Tag, jede Stunde. Vor dem Hintergrund des unfassbaren Leids haben wir uns entschlossen, den Titel der Ausstellung in „unendlich still…“ abzuändern. Gleichwohl wollen wir an der Ausstellung festhalten. Wir wollen auch nicht stumm sein – ganz im Gegenteil: „Kunst ist Freiheit“, mit diesen Worten beginnt die Kunstkonzeption der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Und Freiheit steht weltweit immer wieder und gerade jetzt auf dem Spiel. Die Sprache der Kunst und Kultur ist Ausdruck freiheitlichen Menschseins.

Die Ausstellung „unendlich still…“ findet vom 1. Mai bis 30. September 2022 zeitgleich an sechs Orten statt, und zwar auf je einem evangelischen Friedhof in den sechs Kirchenkreisen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Ein umfangreiches Begleitprogramm mit je eigenen Eröffnungsveranstaltungen, Künstlergesprächen, Vorträgen und Konzerten wird vor Ort in Kooperation mit den regionalen Kunstbeauftragten der Kirchenkreise entwickelt. Die künstlerischen Interventionen greifen vielfältige historische Motive auf und spielen mit verschiedenen Materialien, Ausformungen und sinnlichen Ausdrucksweisen (Video, Fotografie, Malerei, Zeichnung, Sound, Installation, Skulptur). Beteiligt sind 28 Künstlerinnen und Künstler – viele von ihnen aus Bayern, aber auch darüber hinaus. Etwa die Hälfte der Arbeiten entsteht eigens für die Ausstellung und den jeweils spezifischen Ort. An jedem der sechs Friedhöfe werden unterschiedliche künstlerische Positionen gezeigt. Kein Ausstellungsort gleicht also dem anderen.

Zur Ausstellung erscheint eine Broschüre, die an den sechs Ausstellungsorten kostenfrei ausliegt und hier heruntergeladen werden kann.
Download Broschüre zur Ausstellung „unendlich still…“

 

unendlich still…
Zeitgenössische Kunst auf evangelischen Friedhöfen in Bayern
1. Mai bis 30. September 2022

Die Eröffnungsveranstaltungen an den sechs Ausstellungsorten finden an unterschiedlichen Tagen in der ersten Maihälfte statt.

Ansbach, Stadtfriedhof (Kirchenkreis Ansbach-Würzburg)
Vernissage: Freitag, 6. Mai, 18 Uhr
Tag des Friedhofs: Sonntag, 22. Mai, 13 Uhr

Augsburg, Protestantischer Friedhof (Kirchenkreis Augsburg)
Vernissage: Mittwoch, 11. Mai, 18 Uhr

Bayreuth, Stadtfriedhof (Kirchenkreis Bayreuth)
Vernissage: Sonntag, 1. Mai, 19 Uhr

Nürnberg, St. Johannisfriedhof (Kirchenkreis Nürnberg)
Vernissage: Mittwoch, 11. Mai, 19 Uhr

Oberallershausen, Evangelischer Friedhof (Kirchenkreis München und Oberbayern)
Vernissage: Samstag, 7. Mai, 11 Uhr
Gemeindefest: Donnerstag, 26. Mai, 10:30 Uhr Gottesdienst, anschl. Fest

Regensburg, Evangelischer Zentralfriedhof (Kirchenkreis Regensburg)
Vernissage: Dienstag, 10. Mai, 18:30 Uhr
Finissage/Tag des Denkmals: Sonntag, 11. September, 14 Uhr

Information zum Begleitprogramm auf den sechs Friedhöfen

 

Die Ausstellung wird im Zusammenhang mit der 2021 veröffentlichten Publikation „Evangelische Friedhöfe in Bayern“ gezeigt. Im Mittelpunkt des Buches steht der evangelische Friedhof als Gestaltungsraum, Dialogfeld und Ort der Erinnerungskultur. Insbesondere werden die Besonderheiten der Institution kirchlich-konfessioneller Friedhöfe im Wandel der Bestattungskultur und ihrer aktuellen, konzeptionellen und wirtschaftlichen Herausforderungen herausgearbeitet. In seiner thematischen Vielfalt, der umfassenden Aufarbeitung des Themas und den zahlreichen historischen und neu angefertigten Fotografien, Plänen etc. ist die rund 580 Seiten starke Publikation das Standardwerk zur evangelischen Friedhofskultur in Bayern. Das Buch wurde im Auftrag des Landeskirchenrates der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern unter Verantwortung von Oberkirchenrat Prof. Dr. Hans-Peter Hübner, Leiter der Gemeindeabteilung des Landeskirchenamts München, zusammen mit Prof. Dr. Klaus Raschzok, ehemals Lehrstuhl für Praktische Theologie an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau, herausgegeben.

Hans-Peter Hübner, Klaus Raschzok (Hrsg.): Evangelische Friedhöfe in Bayern.
580 Seiten, ca. 700 Abbildungen, u.a. historische und aktuelle Fotografien, Zeichnungen, Katasterkarten, Entwürfe, Grundrisse und Lagepläne und ein Verzeichnis sämtlicher Friedhöfe in Bayern, die sich in evangelisch-lutherischer Trägerschaft befinden und heute noch genutzt werden.
Mit Bildern von Gerhard Hagen, Festeinband.
Erschienen 2021 im Franz Schiermeier Verlag in München.
ISBN 978-3-948974-04-6
39,50 Euro